“Die Beschulung schutzsuchender Kinder und Jugendlicher aus der Ukraine stellt das Bildungssystem vor eine massive Herausforderung und verdeutlicht erneut bestehende Schwächen.”, resümiert Landesschulsprecherin Jessica Pilz. den Austausch zwischen diversen Beteiligten und Betroffenen zur Thematik, welchen die Landesschüler*innenvertretung vergangenen Dienstag ins Leben gerufen hatte. Anlass dafür war der Umgang der Politik mit der aktuellen Situation: Das Kultusministerium spricht von einer reibungslosen und zügigen Umstellung der Schulen auf die vielen Schutzsuchenden. Doch nicht alle teilen diese Auffassung. Anwesend waren unter anderem Lehrkräfte, Mitarbeitende von Schulaufsichtsbehörden, Mitarbeitende des Kultusministeriums, Schulleitungen, Schüler*innen, Eltern und die Beauftragte für Kinder- und Jugendrechte des hessischen Sozialministeriums. Ergebnis des Austausches ist eine differenzierte Erfassung bestehender Probleme sowie möglicher Maßnahmen und Lösungsansätze.
In der momentanen Situation wird erneut deutlich, was für ein verheerender Personalmangel in allen hessischen Schulen herrscht, angesichts dessen eine Betreuung der Betroffenen im angemessenen Umfang unmöglich ist. Es braucht dringend mehr geschultes Personal, das die Betroffenen individuell unterstützt und ihnen den Schulalltag in Deutschland erleichtert. Eine entsprechende Änderung ist jedoch nicht in Sicht. Eher ist Gegensätzliches der Fall. Die Grenze der Schüler*innenanzahl in Intensiv- und Sprachklassen wird stetig erhöht, was den Spracherwerb und die Integration der Schutzsuchenden erheblich erschwert. In der Vergangenheit hat es sich gezeigt, dass eine solche Intensiv- oder Sprachklasse nicht mehr als 15 Schüler*innen groß sein sollte, um eine möglichst individuelle Betreuung zu gewährleisten. “Die Schutz suchenden Schüler*innen sind vielfältige Menschen, die alle auf einem unterschiedlichen Lernstand sind. Sie haben alle individuelle Erfahrungen gemacht, eine Beschulung in größeren Klassen und Kursen ist keine Lösung, die nachhaltige Erfolge mit sich bringt.”, erklärt Landesschulsprecher Julian Damm. Ein großes Problem hierbei besteht darin, dass sie alle über abweichende Sprachkenntnisse verfügen. Der Versuch, Deutsch als Bildungssprache an Geflohene zu vermitteln, ist ein begrüßenswertes Ideal, dem jedoch zurzeit angesichts der strukturellen und personellen Gegebenheiten nicht nachgekommen werden kann.
Hierbei besteht die einzig plausible Lösung darin, mehr Fachpersonal zu schulen, um die hohe Anzahl an Schüler*innen gerecht zu werden und sie angemessen und individuell zu fördern. Es braucht jedoch nicht nur mehr Lehrkräfte, sondern auch mehr Fortbildungsangebote für diese, um sie besser auf die Arbeit in Intensiv- und Sprachklassen vorzubereiten. “Der Personalmangel wirft auch hier erneut ein altes Thema wieder auf: Chanchenungleichheit im Bildungssystem. Die momentanen Maßnahmen sind sehr auf individuelle Kapazitäten ausgerichtet und sorgen dadurch dafür, dass keine flächendeckend gleich gute Bildung und Integration stattfinden kann”, zeigt Landesvorstandsmitglied Julius Jasperbrinkmann auf. Zudem wird erneut klar, dass die hessische Schulpsychologie ausgebaut werden muss. Schüler*innen brauchen das Angebot einer fachlichen sowie individuellen psychologischen Beratung, welche ebenfalls lediglich durch geschultes Fachpersonal gewährleistet werden kann. Das Land muss an genannten Stellen entsprechend nachbessern. Auch die Integration der betroffenen Schüler*innen in die Schulgemeinde geht nur stockend voran. Sprachliche Barrieren stellen dabei ebenso eine Herausforderung dar wie bereits bestehende Gruppengefüge und bilden ein hohes Konfliktpotenzial, welches zu einem sozialen Ausschluss der neuen Schüler*innen führen kann. Besonders unter Anbetracht der Tatsache, dass einige der Schüler*innen, dazu tendieren, sich selbst zu isolieren, ist unbedingt davon abzusehen, die Sprachklassen z. B. räumlich von den anderen zu trennen. Die Schulen müssen konkrete Begegnungsmöglichkeiten für alle Schüler*innen schaffen, welche auch während der Schulzeit, vor allem in den Pausen, der Schulgemeinde den Raum geben, miteinander in den Austausch zu treten, falls dies von Schutzsuchenden gewünscht wird. Hierbei sollten ebenfalls die örtlichen Schüler*innenvertretungen als Bindeglied mit einbezogen werden. Von einem verpflichtenden Programm, das außerhalb der Schulzeit stattfindet, wie innerhalb von Arbeitsgemeinschaften, soll dabei explizit abgesehen werden, da es eine zusätzliche Belastung für alle Beteiligten darstellen könnte. Um die Bedürfnisse und Wünsche der Schutzsuchenden herauszufinden und diesen besser nachzukommen, ist es zwingend notwendig, auch mit diesen in Kontakt zu treten und nicht wie bisher immer nur über ihren Köpfen zu entscheiden, was für sie das Beste ist.
Besonders wichtig ist es in diesem Kontext auch, dass Schulen konkret Solidarität und ein Handlungsbewusstsein vermitteln. Landesschulsprecherin Jessica Pilz fordert auf: “Alle Mitglieder der Schulgemeinde müssen sich beteiligen, um den von der Politik versprochenen reibungslosen Übergang final zur Lebensrealität an hessischen Schulen zu machen.” Um die Situation Schutz suchender Kinder und Jugendlicher an hessischen Schulen zu verbessern, braucht es politisches Handeln und finanzielle Ressourcen. Das Kultusministerium muss für mehr gut ausgebildete Lehrkräfte sorgen und gemeinsam mit den Staatlichen Schulämtern, unter Einbindung aller betroffener Gruppen, Strukturen schaffen, die eine erfolgreiche Bildung und Integration ermöglichen.