Der Landesschülerrat will, dass die Regeln für Unterricht bei großer Hitze geändert werden. Am Freitag hat Landesschulsprecher Pohlmann dem Landtag eine Petition überreicht. Im Interview erklärt der 16-Jährige die Forderungen wie hitzefrei für alle ab über 26 Grad.
Hessens Landesschülerrat kämpft für bessere Lernbedingungen an Hitzetagen – und wenn es sein muss, dann eben auch in der Adventszeit. Ab Freitag beschäftigt sich der Landtag mit dem Anliegen der landesweiten Schülervertretung. 15 Schülervertreter haben der Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Manuela Strube, am Mittag ihre Petition übergeben. Ganz im “Sprech” der Landtagsvertreter hatten sie auch den Titel ihres Aufrufs verfasst: “Fürsorgepflicht ernstnehmen – Neue Regeln für Unterricht bei großer Hitze“.
2.400 Unterschriften seien insgesamt zusammengekommen, berichtet Landesschulsprecher Piet Henrik Pohlmann. Der 16-jährige Schüler an der Hohen Landesschule in Hanau ist einer der zwei Köpfe hinter der Online-Petition. Im März 2019 verfasste er bereits eine Kleine Anfrage an das Kultusministerium. Die Antworten genügten den Schülern nicht, aufgeben kam nicht infrage. 20 Stunden pro Woche spannt ihn sein Ehrenamt schätzungsweise ein. Zusammen mit Marcel Kalif, ebenfalls Landesvorstandsmitglied im Landesschülerrat, erarbeitete der Gymnasiast den Petitionstext.
Im Interview erzählt er, welche Veränderungen sich der Landesschülerrat wünscht, wie sich ein Schultag bei Hitze anfühlt und was nach der Petition passieren wird.
hessenschau.de: Bis man eine Petition startet, muss viel Frust aufgekommen sein. Was ärgert Euch am meisten?
Piet Henrik Pohlmann: Am meisten ärgert uns, dass es gar nicht die Möglichkeit für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe und der Berufsschule gibt, hitzefrei zu bekommen. Wir können verstehen, wenn da andere Hürden angelegt werden als bei jüngeren Schülern. Diese Möglichkeit gibt es allerdings einfach nicht, egal bei welchen Temperaturen. Das wollen wir ändern. Außerdem wollen wir, dass auch mehr dafür getan wird, dass hitzefrei nicht daran scheitert, dass keine Busse die Schüler nach Hause fahren. Das ist vor allem in ländlichen Gebieten vorgekommen.
WIE SIND DIE HITZEFREI-REGELN DERZEIT?
Aktuell liegt die Entscheidung, ob und in welcher Form Hitzeschutzmaßnahmen getroffen werden, im Ermessen der Schulleitung. Das gilt auch für hitzefrei. Konkrete Temperaturrichtwerte müssen nicht erfüllt werden. Für Schüler der gymnasialen Oberstufe (Sekundarstufe II) sowie der Berufsschule gilt zudem, dass grundsätzlich keine Maßnahmen gestattet sind, um auf Hitze zu reagieren.
Für Schüler der allgemeinbildenden Schulen in der Grundstufe und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) gibt es die Möglichkeit von hitzefrei nach der fünften Stunde und einem Verzicht von Hausaufgaben. Der Unterricht kann zudem an einem anderen Ort stattfinden und sich auf ein Projekt beziehen anstelle des Regelunterrichts, wie der “Erlass zum Unterrichtsausfall bei großer Hitze und andere Unterrichtsformen” aus dem Jahr 2015 festlegt.
Pohlmann: Wir wollen, dass es hitzefrei grundsätzlich für alle Schüler und Schülerinnen bei gewissen Grenztemperaturen geben kann. Wir wollen außerdem generell, dass bei großer Hitze mehr Hitzeschutzmaßnahmen ergriffen werden wie zum Beispiel die Verkürzung der Unterrichtszeit von 45 auf 30 Minuten und die Bereitstellung von Getränken, um da ein bisschen entgegenzuwirken.
Wir wollen also sozusagen bessere Hitzeschutzmaßnahmen bis hin zu hitzefrei. Uns geht es nicht nur um hitzefrei für alle Schüler. Es geht vor allem darum, dass das Land Hessen seiner Fürsorgepflicht den Schülern gegenüber nachkommt und dafür sorgt, dass bei hohen Temperaturen Unterricht stattfinden kann – indem man die Räume entsprechend runterkühlt oder andere Maßnahmen bereitstellt oder sonst im Notfall, so ist es ja auch jetzt schon vorgesehen (nur für die Sekundarstufe I, d. Red.), kein Unterricht stattfindet.
DIE FORERUNGEN:
- Bereitstellung kostenloser Getränke ab der Mittagspause: für alle Schulen ab einer Temperatur von mehr als 24 Grad
- Verzicht auf Hausaufgaben oder Durchführung anderer Unterrichtsformen: für die Sekundarstufe 1 ab mehr als 24 Grad, für die Sekundarstufe 2 und Berufsschulen ab über 26 Grad
- Verkürzung der Unterrichtsstunden oder hitzefrei nach der 5. Stunde: für die Sekundarstufe 1 ab mehr als 26 Grad, für die Sekundarstufe 2 und Berufsschulen ab über 28 Grad
hessenschau.de: Wie sieht der Unterricht an einem Hitzetag denn aus?
Pohlmann: Manche Lehrer geben Schülern vorher unterrichtsfrei, aber es kommt in der Regel vor, dass bei 40 Grad Außentemperatur in den sehr häufig nicht-klimatisierten Schulen ganz normaler Unterricht gemacht wird. Dann schwitzt man sich da halb zu Tode, um es direkt auszudrücken.
hessenschau.de: Wie produktiv kann man da sein?
Pohlmann: Wenn man keine Hitzeschutzmaßnahmen ergreift, gar nicht (lacht). Ich glaube, ab 30 bis 35 Grad nimmt man da auch nichts mit – hier spreche ich aus eigener Erfahrung: Wenn man nur noch schwitzt und sich nur noch darauf konzentriert, wann der Unterricht endlich zuende ist. Dann ist es im Endeffekt verschwendete Lebenszeit.
hessenschau.de: Am Freitag übergebt Ihr die Petition offiziell dem Landtag. Was erhofft Ihr Euch?
Pohlmann: Wir wollen vor allem die Landtagsvertreter, aber auch generell die Bevölkerung auf die große Problematik aufmerksam machen. Außerdem wollen wir, dass sich einfach mal endlich um die Problematik gekümmert wird. Wir haben die letzten zwei Sommer so viele Beschwerden von so vielen Schülern bekommen, die zu Recht gesagt haben, dass das so nicht mehr hinnehmbar ist. Die Politik kümmert sich nicht wirklich darum und wir wollen, dass dort wieder die Initiative ergriffen und gemeinsam diskutiert wird, wie man der Fürsorgepflicht aufgrund der immer stärker werdenden Hitze nachkommen kann.
Es ist natürlich gerade angesichts dessen, dass in dieser Woche in vielen Orten das erste Mal Schnee gefallen ist, nicht der perfekte Zeitpunkt, um dafür große Öffentlichkeit zu generieren. Wir wissen ja aber auf jeden Fall: Der nächste Hitzsommer wird kommen, die Schüler werden wieder unter sehr schlechten Bedingungen im Unterricht sitzen und schwitzen.
hessenschau.de: Was passiert nach der Petition?
Pohlmann: Wir werden am Thema bleiben und weiter Gespräche mit Interessengruppen wie dem Landeselternbeirat führen. Und wir werden auch in zukünftigen Gesprächen mit der Landtagsfraktion und dem Kultusministerium selbstverständlich immer wieder darauf aufmerksam machen. Mit dem Hinweis darauf, dass es eben so viele Schüler in Hessen betrifft und so hoffen, dass wir etwas ändern. Wir werden ganz sicher mit der Petition aber nicht aufhören.
hessenschau.de: Falls die Landtagsabgeordneten Eurem Anliegen nicht zustimmen. Würdet Ihr dann, wie “Fridays for Future” als Vorbild, für Eure Forderungen streiken?
Pohlmann: Schulstreik ist kein Mittel, zu dem wir als Landesschülervertretung aufrufen würden. Also ganz klar: Nein.Weitere Informationen
WIE GEHT ES MIT DER PETITION WEITER?
Nach der formellen Übergabe der Petition hat die Landesregierung einen Monat Zeit, Stellung zu beziehen. Dann wird die Petition entweder dem Petitionsauschuss oder dem kulturpolitischen Ausschuss überwiesen. Schließlich wird ein Beschlussvorschlag aus dem zuständigen Ausschuss zur Abstimmung in den Landtag eingebracht. Wann die Abgeordneten zu einer Entscheidung kommen werden, ist nicht absehbar, hieß es aus der Pressestelle des Landtags.
Das Gespräch führte Sophia Averesch.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau kompakt, 13.12.2019, 13 Uhr
Veröffentlicht am 13.12.19 um 10:10 Uhr
Quelle: hessenschau.de